Teil 1: Mit oder ohne Fluorid putzen
Auf meinem Instagram-Account
hatte ich euch nach offenen Fragen bezüglich der Zahnpflege bei Kindern
befragt. Die meist gestellten Fragen waren: „Soll ich mit oder ohne Fluorid
putzen“ gefolgt von: „ist Fluor giftig?“
Es ist also mal wieder Zeit, für
ein wenig Aufklärung:
Im Internet findet man die wildesten Aussagen über Fluorid in Zahncremes: „Das Zeug ist hochgiftig. Tödlich. Frisst sich durch alle Materialien. Macht uns dumm.“ Hobby-Ärzte und Freizeit-Chemiker verbreiten, dass die geld- und machtgierigen Firmen uns mit dem Fluor in Zahnpasten vergiften wollen. Auch wenn man dem Ganzen keinen Glauben schenkt, erreichen sie damit, dass wir beginnen all das zu hinterfragen. Was per se nicht schlecht ist, jedoch den ein oder anderen von uns zu falschen Quellen und somit zu verdrehten Ansichten führt. Das gefährliche Halbwissen lässt grüßen.
Fluor und Fluoride:
Die berühmteste kursierende
Aussage, dass Fluorid hoch giftig ist, beruht auf der Verwechslung von Fluor
mit seinem Salz Fluorid. Fluorid ist zwar auch giftig, jedoch muss bedacht
werden, dass jeder Stoff giftig ist. Die Dosis macht das Gift. In unserem Essen
ist ja auch kein hochgiftiges Chlor enthalten, sondern das Salz des Chlors:
Natriumchlorid (gewöhnliches Kochsalz).
Fluor:
Fluor gehört zusammen mit Chlor, Brom, Jod und Astat zu den
Halogenen. Nach Chlor ist es das häufigste Element seiner Gruppe. In der Natur
kommt das Element wegen seiner großen Reaktivität nur chemisch gebunden vor.
Fluor ist ein gelbes, ätzendes
Gas mit durchdringendem Geruch. Das Nichtmetall weist die größte Reaktivität
und die höchste Elektronegativität auf. Die wichtigsten Fluor Verbindungen sind
neben dem Fluorwasserstoff (H-F): Fluorwasserstoffsäure (H-F flüssig),
Natriumfluorid (Na+ F−), Calciumfluorid (Ca2+
F−), und Uranhexafluorid (UF6).
Fluoride:
Fluoride (F-) sid
Salze des Fluors (F). Als Salze bezeichnet man chemische Verbindungen bzw.
kristalline Substanzen, die aus positiv geladenen Ionen (Kationen) und negativ
geladenen Ionen (Anionen) aufgebaut sind. Fluoride kommen überall in der Natur
vor. Auch der menschliche Körper enthält Fluorid, in Knochen und Zähnen. Über
die Ernährung, schwarzen oder grünen Tee, Fisch oder auch Mineralwasser gelangt
Fluorid in den Körper.
Da
Fluorid natürlicherweise in der Umwelt vorkommt, ist es auch im Wasser
enthalten. Meerwasser enthält z.B. rund 1 mg Fluorid pro Liter. In Deutschland
sind die Fluoridgehalte des Trinkwassers im Allgemeinen niedrig (mehr als 90%
des Trinkwassers enthalten weniger als 0,3 mg Fluorid pro Liter1).
Die Fluoridgehalte können
regional variieren. Die zuständigen Gesundheitsämter oder Landesbehörden können
über die regionalen Fluoridgehalte im Trinkwasser Auskunft geben.
Hier der Link zur
Trinkwasserqualität in Baden-Württemberg
In Zahncremes werden zur
Prophylaxe vor Zahnkaries Aminfluoride, Natriumfluoride oder
Natriummonofluorphosphate verwendet. In Produkten für Erwachsene – das sollte auf der Tube
vermerkt sein – liegt die Konzentration bei maximal 1450 ppm (parts per
million). In Kinder-Zahnpasta darf sie 500 ppm /aktuell wird es auf 1000 ppm angehoben) nicht überschreiten.
Wie wirken Fluoride?
Die Wirksamkeit von Fluoriden in
der Kariesprävention beruht auf chemischen Reaktionen. Daher sind die Art der
Fluoridverbindung, Fluoridkonzentration, die Einwirkungsdauer und das umgebene
Milieu von großer Bedeutung. Die Zufuhr von Fluoriden. Die Zufuhr von Fluoriden
erfolgt über die Speichelsekretion oder direkt über die Mundhöhle. Dort
verteilt sich der Wirkstoff und kann entweder mit der Zahnoberfläche reagieren
oder durch Bildung einer Calciumfluorid-Deckschicht gebunden werden.
Es gibt zwei unterschiedlich diskutierte Wirkmechanismen2:
- Präeruptiv Wirkung: Durch die Anwesenheit von Fluorid kann während der Schmelzbildungsphase die Mineralzusammensetzung sowie die Größe der Kristallite beeinflusst werden (diese Wirkung ist noch umstirtten). Theorie: Es lagert sich im Schmelz an und macht diesen widerstandfähiger gegen Säuren, die die Zahnsubstanz schädigen.
- Posteruptive Wirkung:
- Förderung der Remineralisierung: Säurebelastung (Nahrungsaufnahme) entzieht dem Zahnschmelz Mineralien (Demineralisierung). Die Mineralien im Speichel müssen den Verlust ausgleichen, bevor Schäden in der Zahnsubstanz entstehen (Remineralisierung). Je mehr Fluorid in der oberen Zahnschicht eingelagert ist, umso besser klappt die Remineralisierung. Initiale kariöse Läsionen werden so an der weiteren Progression gehemmt.
- Hemmung des Plaquestoffwechsels: Amin- und Zinnfluorid (SNF2) weisen eine bakterizide Wirksamkeit gegen Mikroorganismen des Plaques auf und unterdrücken sowohl deren Enzymaktivität als auch die Adhäsion (also das Anhaften) von Mikroorganismen auf der Zahnpberfläche.
Toxikologie:
Die Toxizität von Fluoriden ist weitgehend abhängig von der
Menge an dissoziiertem Fluorid. Die Konzentration von Fluorid
wird in Zahnpasten in der Einheit ppm angegeben. Ppm bedeutet parts per million,
dabei entspricht ein ppm einem Milligramm Fluorid pro Liter.
Am Beispiel einer 500 ppm
Zahnpasta mit einem Volumen von 50 ml bedeutet das (nach dem Dreisatz), dass
diese Tube eine Gesamtkonzentration von 25 mg Fluorid:
1 ppm = 1 mg/L
500 ppm = 500 mg/L
1 L = 1000 ml
1000L/50 = 20
500ppm/20 = 25 mg
A: Akute Toxizität:
Akute Toxizität umfasst die
schädigenden Wirkungen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums (gewöhnlich 14
Tage) nach Verabreichung einer Einzeldosis einer Substanz auftreten. Symptome einer
akuten Vergiftung sind Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen. Sie treten laut Bundesinstitut
für Risikobewertung (BfR) erst ab einer Menge von 3-5 mg pro kg Körpergewicht
auf. Für einen Erwachsenen mit 70 Kilogramm sind das 350 mg, also etwa 14
Tuben, bei einem 15 Kilogramm Kind wären das 75 mg, also etwa 3 Tuben
Zahnpasta.
Die Fluorid Letal Dosis liegt bei Erwachsenen bei ca. 5 bis 10 g NaF (=
32 bis 64 mg F-/kg Körpergewicht), was etwa 200 Tuben entspricht, und bei
Kindern bei ca. 2 g NaF (= 14,3 mg F-/kg Körpergewicht)3, was etwa 8 Tuben entspricht.
B: Chronische Toxizität
Häufiger als die akute Toxizität
sind Schadwirkungen (chronische Toxizität) bei langfristiger Anwendung von
zuviel Fluorid. Bekanntgeworden sind bislang Dental- und Skelettfluorose sowie
Nierenschädigungen4
Eine Skelettfluorose tritt
infolge langjähriger Fluoridzufuhr von mehr als 10–25 mg pro Tag auf (man
müsste also jeden Tag eine ganze Tube Kinderzahnpasta essen oder wie im Falle
einer Dame aus Amerika, die sich am Tag 150 Teebeutel schwarzen Tee aufkochten5
Bei der Dentalfluorose handelt es
sich um eine durch Fluorid hervorgerufene Schmelzfleckung. Bei Fluoridanwendung
in den empfohlenen Mengen (0,5 bis maximal 2 mg F-/d) tritt sie nicht auf, aber
schon eine Überdosierung über täglich 2 mg kann eine spezifische fluorbedingte
Fleckung des Schmelzes (mottling of enamel) auslösen. Diese Gefahr besteht
jedoch nur während der Mineralisation bis zum Abschluß der Kronenbildung vor
dem Durchbruch der Zähne, also in einem Alter zwischen 5 und 9 Jahren.
Bisherige Empfehlungen zur Anwendung und Dosierung:
Die folgenden Empfehlungen
stammen aus der Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung zum
Thema: Fluorid-Vorbeugung bei Säuglingen und Kleinkindern6.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich
unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die
Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit.
Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit
seinen Bewertungsaufgaben stehen.
A: Empfehlungen der
Fachgesellschaften der Kinderärzte (DGKJ, DAK):
Die Fachgesellschaft der
Kinderärzte empfielt keine fluoridhaltigen Zahnpasten und raten zu einer oralen
Gabe von Fluoridsupplementen 6.
B: Empfehlungen der
Fachgesellschaften der Zahnärzte (DGZMK, DGZ, DGK):
Die Fachgesellschaft der
Zahnärzte empfehlen eine Zahnpasta mit 500ppm (aktuell wird dieser Wert sogar
auf 1000 ppm hochgesetzt7).ab dem Durchbruch der ersten Milchzähne6.
So machen wir das:
Wir haben mit dem Zähne putzen
gestartet als der erste Zahn da war. Da er voll gestillt wurde, erst mal mit
Wasser bzw. später (etwa ab dem 1. Geburtstag) dann morgens mit Wasser, abends
mit 500 ppm Fluorid. Bei diesem Modell sind wir immer noch, da Oskar keine
(bzw. wenig) Süßigkeiten bekommt und auch keinen Saft trinkt.
Quellen:
Bundesärztekammer:
Bundesinstitut für Risikobewertung:
Aktuelle Stellungnahme vom 01.09.2019 (ZM-Online):
Literatur:
Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde (Thieme Verlag, ab Seite 364)
https://books.google.de/books?id=HO1K0o4D_sgC&printsec=frontcover&dq=Konservierende+Zahnheilkunde+und+Parodontologie&hl=de&sat=X&ved=0ahUKEwjCi-eLss3kAhUNGuwKHW38ArcQ6AEIKTAA#v=onepage&q&f=false
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